Selbstwert - so oder doch so?

Der Selbstwert - Das Epizentrum unserer Psyche? Oder sollten wir nicht eher froh sein, wenn unsere Psyche unserem Selbstwert nicht im Wege steht? Eine Frage die sich nur beantworten lässt, wenn wir beide das selbe Bild von unserer menschlichen Existenz haben.


Das Hauptthema der KlientInnen die zu mir in die Praxis kommen lautet: Ich will mein Selbstwertgefühl zu stärken. Na klar, wen wundert‘s? Ist doch fast schon unmöglich sich gut und wertvoll zu fühlen, wenn uns eine Gesellschaft zu immer höher, weiter, stärker, schöner, besser, schneller herausfordert und das ganze Leben ein Wettbewerb zu sein scheint.

Früher wurde man beim Psychologen tatsächlich noch dazu angespornt durch Leistung seinen Selbstwert zu erhöhen. Thank God, gehört auch diese „Pädagogik“ zunehmend der Vergangenheit an. In der Gesellschaft hat es sich jedoch noch nicht ganz herumgesprochen. Versteh mich nicht falsch, es spricht nichts dagegen gute Leistungen zu bringen, die Frage ist aber immer aus welcher Motivation heraus mache ich das? Wenn die Motivation dahinter eine ist, die mich antreibt, um was wert zu sein, wenn du perfekte, schnelle, anstrengende Leistungen bringst bist Du ein guter und wertvoller Mensch, dann ist es eine, die - je nach Ausprägung - früher oder später in einem Burn-Out münden kann.

 

Wenn die Motivation eine völlig andere ist, - und es ist ein gutes Ziel sich diese anzueignen - und ich aus einem guten Seinszustand heraus Sachen leiste, dann wird es mich auch nicht stressen, wenn ich das mal ein Weilchen nicht mehr tu. Weil ich z.B. krank bin, auf Urlaub bin, in Pension bin usw.!

Selbstwert kann also grundsätzlich so oder so erlebt werden:

Selbstwert A: Ich erlebe mein Da- Sein, meine Existenz, per se als sinnvoll: Formel: Sein - Sinn - Hingabe
Selbstwert B: Hingabe - Sein - Sinn: Ich muss durch Hingabe eine sinnhafte Existenz erarbeiten


Was denkst Du, welcher Selbstwert wird der stabilere sein? Genau, es ist Variante A. Dein ganz individuelles Da-sein wird aus der Sicht der Logotherapie per se als sinnvoll betrachtet, es kann überhaupt nicht sein, dass es keinen Sinn hat, dass Du existierst. Jeder von uns bringt Talente, Gaben, Ressourcen und Stärken mit, die wunderschön und wertvoll sind, jeder vielleicht andere, aber jeder wertvolle. Und jeder hat auch seine Struggles mit dem einen oder anderen Thema, darin liegt unser Potential. Oftmals ergeben sich diese Ressourcen aus unserer Genetik, aus unserer Lebensgeschichte, aus guten wie auch aus negativen Erfahrungen die wir gemacht haben. Und es liegt an uns, durch reflektierter Hinschauen eine lebensbejahende Perspektive auf uns selbst einzunehmen.

Das klingt alles logisch, und leicht nachvollziehbar, wenn da nicht auch lebensverneinende Widerstände in uns wären, die dies oftmals gar nicht möglich machen. Diese Widerstände gilt es kennenzulernen, verstehen zu lernen und zu integrieren, dann machen die immer weniger Problem. Das ist mitunter, was wir tun, wen jemand kommt, um an seinem Selbstwertgefühl zu arbeiten: Klären, was Selbstwert wirklich ist, was uns daran hindert die Variante A zu leben und die Widerstände aufzulösen, und eine gute Fähigkeit zur Selbstfürsorge entwickeln, auf allen Ebenen des menschlichen Sein.